Milljöhsitzung 2016
In einem mal wieder völlig überbuchten und somit restlos ausverkauften Congress-Saal der Koelnmesse feierte die Kölner Karnevalsgesellschaft Paragraphenreiter e. V. am Freitag, dem 15. Januar 2016 ihre traditionelle Kölsche Milljöhsitzung.
Unser langjähriger Sitzungspräsident Hubert Koch (über 50 Jahre Literat – davon 30 Jahre Literat der Altstädter Köln 1922 eV und Ehrenbaas des Literatenstammtisch von 1961 Köln e.V.) führte bereits zum 12. Mal mit kölschem Witz durch ein Spitzenprogramm. Unterstützt wurde er dabei von seinem Elferrat bestehend aus Claus Rück (Kölsche Funke rut-wieß vun 1823 e.V.), Roland Lautenschläger (Literat der KG Kölsche Grielächer vun 1927 e.V.), Bernd Darius (Bürgergarde "blau-gold" von 1904 e.V.), Carmen Fober (Literatin der Colombina Colonia e.V. von 1999), Dr. Johannes Kaußen (Präsident der Kölnische Karnevals-Gesellschaft von 1945 e.V.), Rudi Fries (Literat der Kölnische Karnevals-Gesellschaft von 1945 e.V. und neuer Baas des Literatenstammtisch von 1961 Köln e.V.), Dirk Lüssem (Literat der KG Treuer Husar Blau-Gelb von 1925 e.V.), Dirk Finkernagel (Literat der KKG Fidele Zunftbrüder von 1919 e.V.), Ralf Brings (Bürgergarde "blau-gold" von 1904 e.V.) und Theo Jansen (Ehrenratsherr & Generalmajor der EhrenGarde der Stadt Köln 1902 e.V.).Die musikalische Begleitung erfolgte wie in den Vorjahren durch das hervorragende Orchester „Ted Borgh“ mit ihrem Leiter & Dirigenten Paul Stockschläder, welches von vielen namhaften Künstlern aufgrund ihrer musikalischen Vielfalt und ihrer professionellen Einstellung sehr geschätzt wird.
Das Programm startete pünktlich mit dem Einzug des Musikzuges und des Korps der Bürgergarde "blau-gold" von 1904 e.V. begleitet von vielen Mitgliedern des geschäftsführenden Vorstandes (u .a. Präsident und Kommandant Markus Wallpott und Vizepräsident und Literat Udo Koschollek), die den anwesenden Gästen eine stattliche und eindrucksvolle Eröffnung boten. Letztmalig kam das Publikum der Kölsche Milljöhsitzung 2016 in den Genuss die anmutigen Tänze der scheidenden Marie - Sarah Knott - und ihrem Tanzoffizier Marc Nelles zu sehen. Denn nach fünf wunderbaren erfolgreichen Sessionen kehrt die Marie beruflich bedingt der Bürgergarde „blau-gold“ den Rücken zu. Standesgemäß verabschiedete die KKG Paragraphenreiter Sarah Knott mit einem großen Blumenstrauß, überreicht durch unseren Sitzungsleiter und wünschte ihr für die Zukunft alles Liebe und Gute.
Nach diesem glanzvollen Beginn folgte der erste musikalische Höhepunkt und es wurden die Klüngelköpp, eine Band die inzwischen eine absolute Ausnahmestellung im Kölner Karneval einnimmt - sowohl bei den Jecken als auch bei den Karnevalsoffiziellen - angekündigt. Es folgte eine karnevalistisches Musikfeuerwerk mit Ohrwürmern und Mitsingliedern wie „Wä einmol Kölle sing Heimat nennt“, „Jedäuf met 4711“ und „Us kölschem Holz“. Die Showdrumming-Einlage, die die Klüngelköpp beim Titel „Kölsche Fiesta“ auf der Bühne präsentierten, war ein weiteres Highlight. Als Zugabe erfolgte der Hit „Stääne“, mit dem sich die Klüngelköpp unsterblich gemacht haben und dem ein oder anderen Gast beim Mitsingen die ein oder andere Träne der Rührung ins Gesicht zauberte. Nach diesem Auftritt war die Saaltemperatur um mindestens 5° Grad angestiegen.
Anschließend folgten Die Blömcher ehemals „Blom un Blömcher“. Das sind im Einzelnen Bernd Kreuz (Keyboard & Quetsch), Hannes Blum (Frontmann & Gesang), Christoph Freier (Schlagzeug) und Oliver Blum (Gitarre & Gesang). Die Band ist seit Jahrzehnten im Kölner Karneval bekannt und tritt auch im Umland auf. Das bekannteste Lied der Gruppe ist „Ov de Hohn bes oder Hahn (Ganz egal)“, welches auf diversen CDs veröffentlicht wurde. Der Schlager wurde seit einem Hit von den Höhnern auch mit Scheiß ejal, ob do Hohn bess oder Hahn getextet und wurde unter anderem Opfer einer noch deutlich derberen Version. Neben viel Klamauk und Parodie wurde selbstverständlich auch der Sessionstitel 2016: "Mer driehe alles eröm" gespielt. Der Frontmann und das Gesicht der Musikgruppe Hannes Blum wird nach der Session 2017 in den wohlverdienten Ruhestand treten. Nach mehr als 47 Jahren tritt der Vollblutkarnevalist zurück und macht Platz für die nächste Generation. Die KKG war froh und stolz ihn noch einmal für unsere Milljöhsitzung verpflichten zu können.
Dann ging es weiter Schlag auf Schlag und es kamen die Domstürmer - 100% stürmisch – authentisch – spontan. Die fünf Musiker präsentieren ihre Titel großenteils in Kölscher Mundart, zählen während der Fünften Jahreszeit zu den gefragtesten Bands und etablierten sich außerhalb dieser Zeit auf Festivals und Großveranstaltungen. Die Band liebte die Nähe zum Publikum und spielte ihre Lust am Improvisieren und die Freiheit, sich auf verschiedene musikalische Genres einzulassen -kurz: ihre musikalische Vielseitigkeit- voll aus. Ironisch wurde es als zum Beispiel in „Hollywood“ die „Hölle vun Kölle“ besungen wurde und paradox ging es bei „Ohne Dom, Ohne Rhing, Ohne Sunnesching“ zu – dem wohl ersten Kölschen Lied, das ganz ohne den so oft besungenen Dom, Rhein und Sonnenschein auszukommen versucht. Bei den stimmungsgeladenen Sessionshits „Meine Liebe, Meine Stadt, Mein Verein“, „Happy Weekend“ oder „Mach Dein Ding“ ging es im wahrsten Sinne hautnah zu, als der sympathische und smarte Frontmann Micky Nauber mit dem Publikum spielte. Im Anschluss folgte ein sehr gut gelaunter Marc Metzger – Dä Blötschkopp als rheinische Rampensau charmant, bösartig, blitzschnell und gnadenlos komisch. Er behauptet verschmitzt, er habe keine Rede… Aber sobald er auf der Bühne stand und „Stimmung – Konfetti“ rief, tobte das Publikum vor Begeisterung. Dass sich Dä Blötschkopp von der ersten Minute an mit Sitzungsleiter, Elferrat, Musikkapelle und div. Gästen anlegt, ist Teil seiner anarchistischen Auslegung des Frohsinns: Karneval war immer auch frech. Metzger ist die Steigerung von frech - und bleibt dabei charmant, aber keiner blieb verschont. Mit atemberaubender Wortakrobatik und rhetorischer Hilflosigkeit fliegt er über die Bühne, greift vergessene Themen und frische Situationen auf und verarbeitet sie spontan zu mehreren Lachanfällen. Als Dank für seinen großartigen Auftritt erntet er nicht nur eine Rakete, sondern auch Standing Ovations seines Publikums.
In die Sitzungspause ging es mit den Bläck Fööss die Mutter bzw. der Vater aller kölschen Bands und die musikalischen Superstars des Kölner Karnevals weiter. Das Auge für Alltagsdetails und das kölsche Lebensgefühl zieht sich wie ein roter Faden durch das Repertoire der Bläck Fööss und geht weit über Karnevalsunterhaltung heraus. Viele Fööss-Fans fragten sich schon seit Jahren, wie es mit der Band auf Dauer weiter gehen soll. Das durchaus selbstironische Lied „He deit et wieh un do deit et wieh“ holt die Truppe langsam ein: Band-Senior Hartmut Priess ist inzwischen 73 Jahre alt, Peter Schütten 72, Erry Stoklosa 68, Bömmel Lückerath zählt 66 Jahre. Aufhören oder verjüngen ? Seit Aschermittwoch ist es amtlich und man hat sich nach längeren Band internen Diskussionen fürs verjüngen entschieden. Frontmann Kafi Biermann (69) wird sich Ende des Jahres aus privaten Gründen zurück ziehen und durch Mirko Bäumer (47) von der Coverband „Queen Kings“ ersetzt. Bäumer vertrat Biermann bereits während der diesjährigen Karnevals-Session, als der Fööss-Sänger krankheitsbedingt ausfiel. Er wurde ins kalte Wasser geworfen und hat sich bravourös geschlagen. Mit dem „alten“ Frontmann Kafi Biermann wurden Songs wie „Stammbaum” in dem sie sich aktiv gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wenden, die inoffizielle kölsche Stadthymne „In unsrem Veedel”, eins der bekanntesten Karnevalslieder überhaupt „Mer losse d'r Dom en Kölle”, die im Cha-Cha-Cha-Rhythmus komponierte „Kaffeebud”, das einer Tchibo-Filiale im Stadtteil Sülz gewidmet ist und „Drink doch ene met” gespielt. Zum guten Schluss verabschiedeten sich die Bläck Fööss mit dem Titel: „Bye bye my love“ und wurden frenetisch mit stehenden Ovationen und mehreren Raketen vom Publikum gefeiert.
Nach einer ca. 35 minütigen Pause ging es dann in die zweite Abteilung unserer diesjährigen „Kölsche Milljöhsitzung“. Nach dem Vorjahreserfolg begrüßten wir erneut die MBB - Micky Brühl Band im Congress-Saal. Nach seinem Ausscheiden bei den Paveiern, gründete Micky Brühl nach einer kleinen Pause, 2013 die MBB. Derzeit sieben super Jungs, die nicht nur ihr Handwerk verstehen, sondern auch mit Spaß bei der Sache sind. Gemeinsam werden Texte erarbeitet und Musik komponiert. Hier ist es der Band wichtig, neue Elemente einzufügen und doch die Tradition nicht zu vernachlässigen. Durch den Altersunterschied innerhalb der Band ergeben sich vielfältige, generationsübergreifende Ideen. Alle Hits der MBB wurden vorgetragen wie „Dat kölsche Hätz“, „Su jung wie hück“, „Joode Fründe“ und auch der Titel „Zo Fooss noh Kölle jonn“, der eine Hommage an Willi Ostermanns inoffizielle Stadthymne „Heimweh nach Köln“ ist, durfte nicht fehlen.
Nach einer kurzen Zugabe kam Guido Cantz, ein weiterer hochkarätiger Höhepunkt. Seit 1991 steht der Porzer Jung (zunächst als „Mann für alle Fälle“) als Redner im Kölner Karneval auf der Bühne und absolviert bis zu 200 Auftritte pro Session. Im Steckbrief „Cantz, Guido Cantz...ich empfehle mich!“ sagt er über sich selber, dass er mehrere Sprachen wie Englisch / Sächsisch, Kölsch, Bayrisch spricht und das er sich in seiner Freizeit gerne mit Klavierspielen, Schlagzeug, Skifahren, Fußball und Halbmarathon beschäftigt. Über Weiberfastnacht hat er mal zum Besten gegeben „Da fühlt man sich wie der Bachelor von RTL. Und man braucht nicht einmal eine Rose.“ An Karnevalssamstag und an den restlichen tollen Tagen tritt er nicht mehr auf. Das war schon vor Jahren ein Rat seines Entdeckers Peter Raddatz (Mann met däm Höötche). Zwischendurch begrüßte er die Minions von Z 41 und fragte unseren Literaten nach dessen Körpergröße, mit dem Hinweis ob er mit fast zwei Metern schon das Wetter der nächsten Tage sehen könnte. Den gelungenen Vortrag beendet er mit einem beeindruckenden Schlusswort zum Thema Toleranz: „Es heißt im Koran, wer einen anderen Menschen zum Lächeln bringt, wird in das Paradies eingehen. In diesem Sinne: Lasst uns gemeinsam Karneval feiern.“ Das fantastische Programm rundeten die Höhner ab. Inhaltlich wurden eine Reihe ernster und nachdenklicher Themen angepackt. Da geht es um die Integration der Flüchtlinge („Kumm loss mer danze“) und um den ehrenamtlichen Einsatz vieler Helfer („Stille Helde“). Die Sehnsucht nach Heimat wurde formuliert („Heimweh“), über eine Fußball-Liebe („Sie ist Bayern und er ist FC“) wurde sich lustig gemacht sowie ein Statement zur Lage der Stadt abgegeben: „Dat klingk noh Kölle“. Auch nach dem doppelten Personalwechsel – Wolf Simon und Micki Schläger für Janus Fröhlich und Peter Werner – stellten sie den Congress-Saal auf den Kopf. Am Schluss spielten die Höhner ihre kölschen Hymnen. Die Gäste schunkelten, sangen mit und waren völlig ausgelassen in Feierstimmung. Beim vorletzten Titel brachten die Düxer Clowns die traditionellen bunten Luftballons des Sponsors in den Saal und rundeten den gelungenen Abend ab.
Nach dem Sitzungsende spielten im Foyer erstmals The Wild Bobbin‘ Baboons - die goldenen Fifties live und in Farbe. Rock‘ n‘ Roll so wie er sein soll – mitreißend und energiegeladen. Mit ihren Persiflagen, gewagten Interpretationen und ihrer halsbrecherischen Akrobatik begründen sie eine neue Ära des Rock 'n' Roll in der kölschen Karnevalswelt und heimsten auf dem Vorstellabend des Klub Kölner Karnevalisten e.V. im großen Saal des Maritim Hotel viel Lob des fachkundigen Publikums ein. Der mehrstimmige Gesang, der knackige Kontrabass, die fetzige Vollresonanzgitarre, das panisch röhrende Tenorsax, das schrille Piano und der treibende Beat war ein unnachahmliches Musikererlebnis im legendären "Fuffziger-Sound“. In den frühen Morgenstunden verließen die letzten Gäste zufrieden, mit einem strahlenden Lächeln das Messegelände in Köln-Deutz.